Die letzte Trainingseinheit vor seinem Abschied hatte sich der langjährige Trainer des Tanz-Turnier-Clubs Oldenburg, Andreas Stölting doch etwas anders vorgestellt. Wie regelmäßig alle 14 Tage am Sonntagabend war er nach Oldenburg gekommen, um die Turnierpaare von 19.00 bis 20.00 bei ihrem Sequenztraining zu betreuen. Die Paare machten ihm jedoch einen Strich durch seine Planungen, sie trafen sich bereits um 18:00 Uhr zum verkürzten Sequenztraining und hatten anschließend eine Abschiedsfeier mit Fingerfoodbuffet (jeder hatte etwas mitgebracht) für den langjährigen Clubtrainer organisiert.
Statt des Trainings gab es zunächst eine Laudatio durch den 1. Vorsitzenden Carsten Schlalos, in der er die Tanzsport-Laufbahn von Stölting sowie diverse Highlights seiner 20-jährigen Tätigkeit für den TTC darstellte.
Das Gemeinsame begann bereits am 4. Dezember 1977, als der TTC kurz nach seiner Gründung sein allererstes Tanzturnier ausrichtetet, an dem auch Andreas Stölting teilnahm, der an diesem Tag ebenfalls das erste Mal auf einem Tanzturnier an den Start ging. Schon bald danach mischte Andreas Stölting mit seiner langjährigen Partnerin und späteren Ehefrau Manuela Käseberg die Norddeutsche Tanzsportszene auf, wurde 1979 Norddeutscher Jugendmeister Latein und danach mehrfacher Bremer Meister in den Standardtänzen. In den Folgejahren nahm er 10 Mal an den Deutschen Meisterschaften in Standard, Latein und über 10 Tänze teil, bevor er sich am Ende seiner aktiven Laufbahn entschloss, sein umfangreiches Können und Wissen an andere weiterzugeben. Unter anderem übernahm er eine Tanzschule in Bremen und ließ sich zum ADTV Tanzlehrermeister, praktischen Ausbildungslehrer und Prüfer ausbilden und erwarb an der Sporthochschule in Köln die Trainer A-Lizenz und später auch die höchsten Wertungsrichterlizenzen für Standard-, Latein- und Formationstanzen im DTV.
Nach der Übergabe seiner Tanzschule kam er Anfang 2004 als Nachfolger des damaligen Trainers Marcus Weiß zum TTC und übernahm als Clubtrainer das Training der Standardgruppen und der Oldies, der ehemaligen Turniertänzer. Mit seinem Background war Andreas Stölting der richtige Ansprechpartner für die ambitionierten Tänzer. Das erste Paar, das unter seiner Regie in die S-Klasse, die höchste Tanzsportklasse – quasi die „Bundesliga des Tanzsports“ aufstieg, waren der heutige 2. Vorsitzende des TTC Eike Arndt und seine Partnerin Nathalie Avrillon. Es folgten ungezählte weitere Paare, denen es gelang, mit Hilfe seines Trainings und seiner tatkräftigen Unterstützung in die A- oder S-Klasse aufzusteigen. Ebenso ungezählt ist die Anzahl der Medaillen bei Meisterschaften, die seine Paare gewinnen konnten. Auch diejenigen, die nicht ganz so talentiert oder ehrgeizig waren, hat er immer gefördert und ihnen die Freude am Tanzsport erhalten.
Sein besonderes Augenmerk galt immer der Jugendarbeit, die beim TTC seinerzeit praktisch keinen Stellenwert hatte. Seine Vorstellung, mit Hilfe einer Latein-Formation junge Leute an den TTC zu binden, wurde ein Jahr später Realität. Auch wenn das erste Jahr in der Landesliga suboptimal verlief, blieb das Team zusammen und wurde durch die Verbindungen von Andreas Stölting in der Folgesaison durch ein einige Bremer Tänzer verstärkt. Das TTC Team war dadurch das einzige Team in der Landesliga, das mit Benjamin Schulze, der die Mannschaft später auch trainierte, einen Vize-Weltmeister in seinen Reihen hatte. Die Saison verlief sehr erfolgreich, das Team stieg in die Oberliga auf und im Jahr darauf leider gleich wieder ab, vielleicht auch deshalb, weil Andreas Stölting als Formationstrainer einfach „zu lieb“ war.
Ein besonderes Highlight war für Andreas Stölting sicherlich auch die Deutsche Meisterschaft über 10 Tänze, die der TTC 2007 in der EWE-Arena ausrichtete, die erste Einzelmeisterschaft, deren Endrunde live im Fernsehen übertragen wurde. Aufgrund seiner tanzsportlichen Historie und seiner kommunikativen Fähigkeiten wurde er vom NDR als Co-Moderator für den sportlichen Teil engagiert.
Auch abseits des Trainingsbetriebes war Andreas Stölting für den TTC immer ein verlässlicher Partner, bei ungezählten Turnieren stand er als Wertungsrichter an der Fläche und hat den Verein auch sonst mit seinem Know How und seinen Kontakten unterstützt. Für ihn gab es nie einen Stillstand, immer hatte er etwas Neues auf dem Zettel. So hat er vor vielen Jahren das Sequenz-Training eingeführt und immer wieder namhafte nationale und auch internationale Trainer wie z. B. den Weltmeister Emanuel Valerie für Workshops nach Oldenburg geholt. Mehrfach hat er als „Trainer, der die Profis trainiert“, so die NWZ, bei Let’s Dance mitgemacht und natürlich beim Training den Oldenburger Paaren davon berichtet. Während seiner gesamten Laufbahn als Trainer hat er sich regelmäßig fortgebildet und die aktuellen Trends des modernen Tanzsports übernommen. Bei ihrer WM-Teilnahme im Mai 2023 in Bremen musste Verena Rhiemeier, die neue Schatzmeisterin des TTC, feststellen, dass „die Finalteilnehmer so getanzt haben, wie es Andreas immer von uns verlangt hat, leider ist es uns nicht gelungen, das perfekt umzusetzen“.
Sichtlich gerührt und an der einen oder anderen Stelle auch schmunzelnd, nahm Andreas Stölting die Laudatio, die Dankesworte und Abschiedsgeschenke, u. a. ein von den Turnierpaaren und vielen Ehemaligen mit persönlichen Widmungen und Fotos gestaltetes Album, entgegen. Nach 40 Jahren Trainer-Tätigkeit und 20 gemeinsamen Jahren mit dem TTC möchte er nun etwas kürzertreten und die verbleibende Zeit mit den Dingen verbringen, die ihm wichtig sind und Freude bereiten. Dabei wird neben Enkelkindern und Familie der Tanzsport auch künftig eine wesentliche Rolle spielen.